#webtypobuch

Abo, Cloud und Co. – ein Ratgeber

Entweder es bleibt für die nächsten Jahre die Gretchen-Frage unter typografisch engagierten Webdesignern, oder eines der derzeit parallel existierenden Modelle setzt sich dauerhaft durch. Wir reden von der fundamentalen Frage, mit welcher Infrastruktur und welchem Geschäftsmodell in Zukunft Webfonts vertrieben und genutzt werden.

Eines lässt sich vorweg korrigieren: Entgegen anders lautender Gerüchte kauft man in aller Regel keine Schriften; es sei denn, man heißt Siemens oder Deutsche Bahn und kann sich seine eigene Hausschrift entwerfen lassen, die man exklusiv und unbegrenzt nutzt. Alle kleineren Firmen und Webdesigner erwerben mit ihrem Kauf maximal eine in vielen Punkten eingeschränkte Nutzungslizenz. Der reine Besitz einer Fontdatei ist dabei unerheblich. Wenn Sie bei eBay eine gebrauchte Festplatte ersteigern, auf der sich lauter nicht gelöschte Fonts tummeln, dürfen Sie diese trotzdem erst dann in Projekten verwenden, wenn Sie eine personalisierte Lizenz nachweisen können.

Um zurück auf die Webfonts zu kommen: Hinsichtlich der Lizenz und deren Erwerb spielen folgende taktische und technische Überlegungen eine Rolle:

Insbesondere die Frage nach den exakten Lizenzbedingungen und Preisen stellt seit einigen Jahren etablierte Schriftanbieter sowie hungrige Newcomer vor kniffelige Entscheidungen! In der Printwelt hat es sich nämlich so eingebürgert, dass man zu einem bestimmten Preis, meist um die 30 bis 40 Euro, die zeitlich unbegrenzte Lizenz zur Nutzung eines einzelnen Schriftschnitts für bis zu fünf Arbeitsplätze erwirbt. Wie häufig die Schrift dann tatsächlich verwendet wird, und welche Auflagen mit ihr gedruckt werden, ist in aller Regel nicht eingeschränkt. Ein traditionsreiches Designbüro hat unter Umständen mit einer vor 20 Jahren erworbenen Univers-Schriftfamilie dutzende aufwendige Kundenkataloge gesetzt und musste dafür den gleichen dreistelligen Geldbetrag zahlen wie eine Designstudentin, welche die Schrift lediglich für die Gestaltung einer Visitenkarte im Einsatz hatte.

Das ist selbstredend eher ungerecht. Doch mit den Webfonts und potenziellen neuen Geschäftsfeldern ergibt sich nun die Chance, den Technologiefortschritt mit einem Wechsel zu gerechteren Lizenzmodellen zu verbinden. Schnell stand bei den meisten Anbietern fest: Die Größenordnung der Nutzung soll in Zukunft eine Rolle spielen. Doch wie misst man die reale Nutzung eines Webfonts? Wer einen cloudbasierten Dienst betreibt, kann das freilich in Echtzeit und sehr exakt den Serverstatistiken entnehmen. Gibt man die Fontdateien jedoch zum Selberhosten heraus, kann man entweder auf die Einbindung eines Zählpixel bestehen oder auf die Ehrlichkeit des Kunden vertrauen.

Die marktführenden Anbieter haben sich für das Vertrauen entschieden. Die unlizensierte Nutzung von Schriften war und ist zwar ein gewisses Problem, aber anders als die Musik- oder Filmindustrie geht man in der Schriftindustrie klüger mit seinen potenziellen Kunden um und macht – insgesamt – sehr attraktive Angebote zu bezahlbaren Preisen.

Noch in den Kinderschuhen stecken übrigens passende Lizenzmodelle für Computer-Applikationen. Abhängig davon, ob es sich um mobile oder klassische Plattformen handelt, und ob sie als native Entwicklung, über Webviews oder gar als Offline-Webapp umgesetzt werden, lassen sich derzeit meist nur im individuellen Gespräch mit den Schriftanbietern rechtssichere Lösungen finden, die dann zu teilweise überraschenden Preisen führen.

Doch diese bisherigen Überlegungen stellen im Wesentlichen die Anbieterperspektive dar. Vielleicht interessanter ist die Sicht des Nutzers! Bevor wir uns konkret mit Glanz und Tücken von Bezahlung und Einbindung beschäftigen, müssen wir jedoch eine wichtige Fragestellung klären. Bei jedem neuen Webdesign-Projekt sollten Sie sich als Gestalter überlegen, ob Sie tendenziell a) eine passende Infrastruktur anhand einer festgelegten Schriftvorgabe finden möchten oder b) innerhalb einer bewährten Infrastruktur nach einer passenden Schrift suchen. Zum besseren Verständnis drei kleine Beispiele:

Kunde X hat sich vor einigen Jahren ein komplett neues Corporate Design maßschneidern lassen, welches als zentrale Schrift die Fedra Sans vorsieht. Eine kurze Webrecherche ergibt, dass die einzige Möglichkeit, Fedra als Webfont legal zu nutzen, ein Kundenkonto bei der Typotheque ist, dem Hostingservice des Schriftentwerfers Peter Biľak. Somit ist mit der Wahl der Schrift bereits die Entscheidung über Lizenzmodell und technische Umsetzung getroffen: Man darf die Fedra nicht etwa herunterladen und selber hosten, sondern zahlt einmalig an Typotheque, um die Schrift dort hosten zu lassen.

Ganz anders läuft es mit Kunde Y. Dieser hat eine neue Unternehmung gegründet und ist ohnehin eher im Internet aktiv, braucht also keine Drucksachen. Dafür besteht er darauf, seine laufenden Kosten gering zu halten, weswegen ein Mietmodell für ihn nicht in Frage kommt. Da wir sowieso ab und zu Schriften bei FontShop kaufen, suchen wir uns dort für den Kunden einen Webfont aus, den wir angemessen finden – beispielsweise die FF Tisa – und können diese tatsächlich als WOFF und EOT herunterladen, um sie auf unserem Kundenserver abzulegen. Das kostet zwar erst einmal eine hübsche Stange Geld, aber verursacht dafür keine laufenden Kosten.

Kunde Z hat nur eine sehr kleine Website und wenig Geld, ist aber ein guter Freund. Wir surfen daher einmal quer über den Katalog von Typekit, wo wir bereits wegen einiger anderer Projekte Kunde sind. Zufälligerweise stoßen wir auch hier auf die FF Tisa, denn wie viele andere Hosting-Services bietet auch Typekit Schriften von allen möglichen Herstellern an. Da wir noch genug ungenutzte Pageviews in Reserve haben, etablieren wir für den Kunden Z ein weiteres Kit innerhalb unseres Accounts und lassen ihn das Hosting einfach mitbenutzen.

Angenommen, wir hätten tatsächlich die freie Wahl zwischen Fremd- und Eigenhosting, sowie zwischen Einmalzahlung und Abonnement: Wofür entscheiden wir uns? Selbstverständlich ahnen Sie bereits, dass ich Ihnen keine endgültige Antwort darauf geben kann. Es hilft aber, sich die einzelnen Vorteile noch einmal zusammengefasst durchzudenken:

Für das Selberhosten spricht zunächst einmal die volle technische Kontrolle. Alles befindet sich auf dem eigenen Server, unabhängig von möglichen Abstürzen oder Caching-Problemen der Cloud-Dienste. Ungewollte Updates, plötzlicher Stopp der Schriftauslieferung oder schlicht eine Verlangsamung des Seitenaufbaus sind nicht zu erwarten. Und wenn, dann ist sowieso die gesamte Website betroffen.

Demgegenüber hat Fremdhosting über einen Cloud-Dienst ganz eigene Reize: Sie müssen sich bei der Nutzung eines ausgereiften Dienstes keinerlei Gedanken um die technische Einbindung machen. Derlei Dinge stellen einen halbwegs erfahrenen Frontend-Entwickler zwar nicht vor unlösbare Probleme, aber Typekit und Co. machen es im Zweifelsfall besser. Sie kümmern sich stets um die neuesten Browserversionen auf allen denkbaren Plattformen und holen mit diversen Maßnahmen, insbesondere gut geölten Content-Delivery-Networks (CDN) immer noch ein paar Millisekunden an Auslieferungsgeschwindigkeit heraus. Einige Dienste verfügen auch über sehr flexibles Subsetting – dampfen also den Umfang der Schrift auf tatsächlich benötigte Zeichen ein, bis hin zu einzelnen Buchstaben.28

Die Vorteile der Einmalzahlung liegen auf der Hand: Kostensicherheit und ruhiger Schlaf – es kommen keine weiteren Kosten oder Preissteigerungen auf den Webdesigner und seine Kunden zu. Außerdem dürfte die jahrzehntelange Etablierung des Vorgangs „Schriftlizenzkauf“ eine Rolle spielen, vor allem in größeren Design- und Werbeagenturen und deren Auftraggebern. Es gibt hier oftmals keinen betriebswirtschaftlichen Prozess für das Abschließen eines „Schriftabonnements“. Und auch unabhängig von den zu zahlenden Summen: Eine dauerhafte kostenpflichtige Mitgliedschaft bei einem Webservice ist immer ein Mehraufwand für die Buchhaltung und eher ungern gesehen.

Doch auf der anderen Seite steht den Nutzern bei vielen Abonnement-basierten Diensten eine riesige Schriftenvielfalt zur Verfügung. Statt also immer wieder die gleichen Schriften zu verwenden, weil man irgendwann eine respektable Summe dafür ausgegeben hat – gängige Praxis in kleinen Designstudios –, ist man hier bei jedem neuen Projekt stilistisch völlig frei. Das tut der Vielfalt im Web natürlich gut. Grundsätzlich lege ich jedem Webdesigner ans Herz, sich bei einem der folgenden Dienste zumindest ein kostenloses Entwicklerkonto anzulegen. Probieren Sie aus, wie Sie in der Praxis mit einer grandiosen Schriftvielfalt zurechtkommen!