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Kontraste und inverser Satz

Viel wurde – und wird immer noch – gestritten um das richtige Helligkeitsverhältnis zwischen Hintergrund- und Schriftfarbe, vulgo: Kontrast.16 Einige Designer (vor allem solche, die längeren Textinhalt lediglich als zu verteilende Gestaltungsmasse ansehen) haben sich auf geringe Helligkeitskontraste eingeschossen. Hellgraue Schrift auf weißem Grund oder gar mausgraue Schrift auf steingrauem Grund werden als kreative Layoutelemente eingesetzt. Auf der anderen Seite steht die Usability- und Accessibility-Polizei, die mit inquisitorischem Ehrgeiz möglichst alle Schriftdarstellung mit der brutalen Kontrastkeule auf #000 und #FFF zu korrigieren strebt.

Selbstverständlich hat keiner der beiden Gruppen uneingeschränkt Recht. In der Praxis hat es sich bewährt, einen weißen Hintergrund mit ca. 80-prozentigem Schwarz zu bespielen, also etwa #333 oder #444. Wenn farbige Hintergründe im Spiel sind, lohnt sich der Einsatz eines Kontrast-Prüfungstools, welche im Internet leicht zu finden sind.17 Achten Sie am besten auf WCAG2- oder BITV2-Konformität ihrer gewünschten Kontrastwerte, denn diese offiziellen Verordnungen zur Barrierefreiheit sind ein guter Anhaltspunkt für die Grenzen der Kontrastfreiheit und orientieren sich insgesamt auch an vernünftigen Werten.

Womit ich persönlich überhaupt nicht klarkomme, sind hingegen invers gesetzte Texte, also hellere Schrift auf dunklerem Grund. Rein rechnerisch kann der Kontrast hier zwar genauso groß oder klein sein wie auf dem positiven Spektrum (die WCAG/BITV-Anforderungen sind also erfüllt), doch es flimmert in den Augen und bildet ein Abbild auf der Netzhaut, welches auch noch einige Sekunden später beim Blick in die Ferne sichtbar bleibt.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob ihre Augen möglicherweise ähnlich veranlagt sind, besuchen Sie das beliebte Apple-Partisanenblog daringfireball.net und lesen zwei oder drei Bildschirmhöhen. (Alternativ tut es wahrscheinlich auch ein beliebiges Gothic- oder Black-Metal-Forum …) Meines Erachtens hat es schon einen praktischen Grund, dass 98 Prozent der Websites mit hellem Hintergrund und dunkler Schrift daherkommen. Ich will ihnen den inversen Satz nicht kategorisch verbieten, aber bei längeren Texten sollten Sie sich lieber zweimal überlegen, ob eine vermeintlich originelle Gestaltung wichtiger ist als ein angenehmes Lesegefühl.

  1. Im Schriftentwurf spricht man auch von Kontrast, meint damit aber meist den Strichstärkenkontrast, also die unterschiedlich breiten Linien innerhalb einer Glyphe. Dies hat mit dem Helligkeitskontrast, um den es hier geht, nichts zu tun.
  2. leaverou.github.com/contrast-ratio