#webtypobuch

Eine Art Glossar

Ich selber habe Glossars in Büchern nie gelesen, weil ich der Überzeugung bin, dass es Aufgabe des Autors ist, unbekannte Fachausdrücke im Kontext der sonstigen Ausführungen implizit zu erläutern. Und für den besonders wissbegierigen Leser sind die Definitionen in Wikipedia und Co. ohnehin ausführlicher und neutraler. Dieses Glossar ist anders, denn es beschränkt sich auf Fachausdrücke und vermeintliche Wahrheiten, die selbst von Profis ständig falsch oder irreführend verwendet werden. Es war immer schon meine erklärte Mission, diese Unklarheiten und semantischen Fehler für meine Leser auszuräumen. Deshalb vergeuden wir keinen wertvollen Platz und starten sofort mit dem ersten Begriff:

Auflösung (Resolution)

Wann haben Sie das letzte Mal einen Bildschirm mit einer Auflösung von 1.280 × 800 gesehen? Oder gar einen mit „Full-HD-Resolution“? Ich noch nie, obwohl die Welt voll von diesen Geräten zu sein scheint! Die Auflösung ist mit großer Sicherheit eines der am häufigsten falsch verwendeten Wörter in der gesamten Computertechnik. Es wird so oft falsch verwendet, dass sich seit einiger Zeit sogar ein Ersatzwort etabliert, welches die ursprüngliche Bedeutung von Auflösung – zumindest im digitalen Bereich – besser und klarer verdeutlicht: die Pixeldichte.

Dabei ist es so schwer nicht: Die Auflösung wird in der Drucktechnik in DPI (Dots Per Inch) angegeben und heißt dort oftmals auch Rasterweite. Sie bezeichnet den Abstand zwischen den einzelnen Rasterpunkten beim Drucken von Farbzwischenwerten. Wir kennen ja alle die regelmäßigen Farbmuster, welche man sieht, wenn man mit dem Auge ganz nahe an ein gedrucktes Citylight-Plakat herangeht. Auf dem Bildschirm hingegen wird die Auflösung meist in PPI (Pixel Per Inch) angegeben; wenn jemand also von einem „130dpi-Bildschirm“ spricht, macht sie oder er einen Flüchtigkeitsfehler.

Die Bildschirmauflösung gibt an, wieviel Pixel in ein Zoll/Inch (= 2,54 cm) hineinpassen, und zwar zunächst nur in einer Dimension, also horizontal oder vertikal. Da 99 Prozent der heute benutzten Bildschirme aber sowieso quadratische Pixel besitzen, ist die horizontale und vertikale Auflösung fast immer identisch. Wir sehen also: Die neumodische Pixeldichte trifft es ganz gut und ist durchaus zu befürworten, um Klarheit zu schaffen.

Doch es ist ja nicht so, dass „Auflösung“ im Gegenzug aussterben würde. Sie wird nur meist für etwas Anderes und Falsches verwendet, nämlich die Anzahl der Pixel eines Bildschirms in Breite und Höhe. Doch das ist falsch. Interessanterweise können nämlich verschiedene Bildschirme mit jeweils 1.024 × 768 Pixeln durchaus unterschiedliche Auflösungen besitzen! Es hängt davon ab, welche physische Breite und Höhe das jeweilige Gerät besitzt. Beim iPad der ersten Generation war der Screen 16,5 × 12,3 cm groß, stellte exakt 1.024 × 768 Pixel dar und hatte demnach eine Auflösung von 132 ppi. Der Bildschirm des ersten iMac von 1997 hingegen war 30,5 × 22,9 cm groß und leistete bei ebenfalls 1.024 × 768 eine Auflösung von nur 85 ppi.

Eine einfache Rechnung: größerer Screen bei gleicher Pixelanzahl = niedrigere Auflösung. Eine großartige Möglichkeit, mit diesen Zahl zu rechnen und zu spielen, ist übrigens die Website mit der formschönen Adresse members.ping.de/~sven/dpi.html

Als es noch Computermonitore mit Röhrentechnik gab, war es sogar noch ein Stück weit komplizierter, und hier liegt wahrscheinlich auch die Quelle des großen Missverständnisses. Diese Röhrenbildschirme hatten keine feste Auflösung wie heutige LCDs; man konnte statt dessen aus verschiedenen Optionen wählen, beispielsweise beim oben genannten iMac zwischen 67 ppi und 85 ppi. Nur dass freilich kein Betriebssystem die sperrige ppi-Zahl tatsächlich erwähnte, sondern selbstverständlich immer nur die zugehörige Pixelanzahl, also in diesem Falle 800 × 600 oder 1.024 × 768. Der Nutzer konnte also die Auflösung wählen, aber es standen nicht tatsächliche Auflösungswerte, sondern vielmehr Pixelanzahlen als Option dabei. Kein Wunder, dass dies zu einer Bedeutungsverschiebung geführt hat!

Und wenn wir einen Schritt weiter gehen, wird es noch deutlicher: Denken wir uns als externen Monitor einen Projektor (neudeutsch: Beamer). Bei diesem wird die Auflösung ja schon dadurch erhöht, dass man ihn näher an die Leinwand schiebt! Das einzige, was wir per Software präzise einstellen können – sofern wir die tatsächliche Projektionsfläche des Bildes nicht genau wissen – ist also die Pixelanzahl.

Dass wir für den Begriff Pixelanzahl hingegen ein ästhetischer klingendes Wort brauchen, liegt auf der Hand. Ist aber auch ein anderes Thema.

Schriftgröße

Aufmerksamen Lesern dieses Buches (und meines Weblogs praegnanz.de) wird nicht entgangen sein, dass ich das Wort Schriftgröße zu vermeiden versuche, und statt dessen lieber von Schriftgrad spreche. Wenn man es genau nimmt, ist das nämlich nicht das gleiche: Zu Zeiten des Bleisatzes war es üblich, für verschiedene Darstellungsgrößen einer Schrift unterschiedliche Schriftentwürfe heranzuziehen. Die 8-Punkt-Garamond besaß also speziell für diese Größe angepasste Formen und war nicht einfach eine herunterskalierte 12-Punkt-Garamond. Man sprach von sogenannten Entwurfsgrößen. Als dann der Fotosatz und später DTP aufkam, scherte man sich größtenteils nicht mehr um solche Details, und die Schriftgröße wurde zum einfachen Skalierungsfaktor einer universellen Vektorform. Es gibt zwar einige rühmliche Ausnahmen, also Schriften mit speziellen Formen für bestimmte Größen, doch die heftige Mehrarbeit machen sich nur sehr wenige Schriftentwerfer.

Erst in jüngster Zeit formiert sich eine Gegenbewegung, die sogar speziell auf das Webdesign abzielt. Unter dem Stichwort Responsive Typografie kann es eine mögliche Taktik sein, verschiedene Entwurfsgrößen eines Webfonts für unterschiedliche Schriftgrade oder Auflösungen zu verwenden. Das ist die gleiche uralte Idee aus dem Bleisatz, für das neue Medium aufgegriffen. Dennoch sollten wir mit dem Begriff Schriftgröße ein wenig aufpassen – er wird heutzutage von kaum jemanden so verstanden, wie er ursprünglich gemeint war.

Schrift

Ganz allgemein gesprochen ist Schrift die visuell41 kodierte Darstellung von Sprache. Als Schriften werden gleichzeitig aber auch Textdokumente bezeichnet, beispielsweise die „gesammelten Schriften“ eines Autors. Im Design-Kontext wird das Wort jedoch vornehmlich als Synonym für Schriftart verwendet – ich selber tue das am laufenden Meter. Eigentlich eine etwas unscharfe semantische Praxis, aber so hat es sich eingebürgert.

Schriftart

Hier geht es um eine Ansammlung von einzelnen Glyphen (Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen), die alle einer gewissen gestalterischen Systematik oder Stilistik folgen. Es ist hierbei weder das exakte Repertoire der Glyphen gemeint, noch die technische Umsetzung oder Darreichungsform, sondern primär die rein visuelle Gestaltung der konkreten Formen.

Schriftschnitt, Schriftfamilie, Schriftsippe

Mit Schnitt bezeichnen wir den Teil einer Schriftart, bei dem die Glyphen eine einheitliche Fette, Dickte (schmal oder weit) und einen einheitlichen Stil (kursiv, Kapitälchen usw.) besitzen. Alle Schriftschnitte zusammen ergeben eine Schriftfamilie. Diese kann in extremen Fällen über hundert Einzelschnitte in sich vereinen. Schriftsippen hingegen werden gebildet, wenn mehrere Schriftfamilien eine ähnliche Formgebung besitzen, sich aber von der Schrift-Klassifizierung unterscheiden. Meist geht es um die Serifen- und die serifenlose Variante eines Basis-Entwurfes. Bisweilen kommen noch angedeutete Serifen, betonte Serifen oder eine Monospace-Variante hinzu. Eine der ersten umfangreichen Schriftsippen ist die Thesis von Luc(as) de Groot, welche inzwischen rund 500 Einzelschnitte umfasst.

Font

Dieses Wort hat – zumindest von der Aussprache – nichts mit Aktien-Fonds zu tun, und ebenfalls nicht mit dem französischen Fond als Hintergrund oder in der Kulinarik. Es wird tatsächlich sehr deutsch ausgesprochen, mit „hartem t“ am Ende. Font gilt aber als englisches Wort mit französischen Wurzeln (fonte = der Guss). Gemeint ist die konkrete digitale Computerdatei, welche die Formen einer Schriftart beschreibt – meist in Vektoren, manchmal in Pixeln. Die unterschiedlichen Font-Formate wie OpenType, TrueType und PostScript sind dabei ein ganz anderes Thema.

Zeichensatz

Zeichensatz ist kein Synonym für Font, auch wenn sich dies durch eine falsche Übersetzung in manchen Betriebssystemen anböte. Vielmehr handelt es sich um die korrekte Übersetzung des englischen character set (kurz: charset). Gemeint ist eine konkrete Zusammenstellung von unterschiedlichen einzelnen Zeichen zu einem Verbund bzw. einer Sammlung. Die genaue visuelle Gestaltung der Zeichen ist dabei unerheblich. Wichtig ist nur das Mapping oder die Kodierungstabelle, die darüber Auskunft gibt, an welcher Stelle welches Zeichen zu finden ist. ISO-8859-1 (Western) oder UTF-8 (Unicode) sind dabei gängige Zeichensatz-Kodierungen (character encodings).

  1. Die Blindenschrift Braille ist in erster Linie taktil und weniger visuell wahrnehmbar, gilt aber natürlich auch als Schriftsystem.